003: Das Restriktionsmodell im systemischen Coaching

Shownotes

Das Restriktionsmodell

Wenn Menschen in die Beratung kommen, bringen sie nicht selten Ziele mit, die zwar aus ihrer Sicht nachvollziehbar, für einen Außenstehenden aber augenscheinlich unrealistisch sind. Es könnte sich z.B. um einen Wunsch handeln, dass sich eine andere Person in ihrem Verhalten verändern möge, damit es einem selbst wieder gut geht. Solche Ziele können auch Sehnsuchtsziele genannt werden - für die Betreffenden wäre es sicher sehr angenehm, wenn sich andere Menschen verändern würden. Eine Beratung kann aber ja nichts dazu beitragen, dass sich Menschen außerhalb des Beratungsraumes verändern, also keine wie auch immer geartete „Fernheilung“ in Gang setzen. In diesem Beispiel ist dann das erst einmal unveränderliche Verhalten eines anderen Menschen die Restriktion. Als BeraterInnen brauchen wir Ideen, wie wir mit diesen Sehnsuchtszielen umgehen können. Da wäre als erster Schritt die Würdigung des (unrealistischen) Sehnsuchtsziels - in der Welt unseres Gegenübers macht dieses Ziel Sinn und es gibt ein reales Sehnen danach, es auch zu erreichen. Nach dieser Würdigung gilt es allmählich die Undurchführbarkeit des Zieles zu thematisieren, bei immer wieder anhaltender Würdigung dafür, dass es ja sehr verständlich ist ein solches Ziel zu haben. Im Grunde geht es dann darum, den Auftrag für ein Ziel zu akquirieren, das nicht so gut wie das Sehnsuchtsziel, dafür aber realistischer ist - also im Grunde ein Ziel 2. Wahl. Ein Ziel 2. Wahl könnte z.B. sein daran zu arbeiten, das eigene Empfinden und/oder eigene Verhalten einer Person gegenüber zu verändern. Ein solches Ziel liegt in der Eigenverantwortung des Klienten und kann im Coaching bearbeitet werden. Dabei kann es von Seiten unserer Klientin immer wieder zu Ehrenrunden kommen, in denen sie doch lieber das Sehnsuchtsziel anstreben möchte. Diese Bestrebungen gilt es zu würdigen und gemeinsam mit unserem Gegenüber die Machbarkeit zu überprüfen, um anschließend wieder für das Ziel 2. Wahl zu werben. An der Umsetzung dieses Ziels 2. Wahl kann in der Beratung gut gearbeitet werden, da es sich ja im direkten Einflussbereich unserer Klienten befindet. Interessanterweise kommt es durch Veränderungen, die jemand bei sich selbst initiiert im Anschluß häufig auch zu Veränderungen im Verhalten anderer Person(en). Systemisch betrachtet macht das ja auch Sinn, da die Muster der Kommunikation einseitig unterbrochen werden - wenn man selbst die eigenen kommunikativen Beiträge verändert, können die Beiträge der anderen auch nicht mehr wie vorher ablaufen, weil ja ein Element des sich bis dato selbst stabilisierenden Systems nicht mehr „mitspielt“. In der Beratung gilt es recht häufig Menschen dafür zu gewinnen und sie dabei zu begleiten, sich mit Restriktionen neu zu arrangieren und alternative Umgangsweisen mit ihnen zu entwickeln. Das Restriktionsmodell wurde in dieser mir bekannten Form von Gunther Schmidt entwickelt und formuliert.

Eine kritische Würdigung des lösungsorientierten Ansatzes nach Steve de Shazer

„Problem talk creates problems. Solution talk creates solutions.“ Eine (vermeintliche) Wahrheit, die im ersten Moment durchaus attraktiv und plausibel klingt. Frei nach Ken Wilber könnte man aber auch sagen: „Steve de Shazer hat Recht - aber nur teilweise.“ Menschen verfügen über Ressourcen, auf die sie in bestimmten Situationen keinen Zugriff (mehr) haben. Dann spielt der lösungsorientierte Ansatz seine volle Stärke aus – wir können durch unsere Fragen und Aufmerksamkeitsfokussierungen Menschen wieder in Kontakt mit ihren Ressourcen bringen. Zum Beispiel durch die folgende Frage: „Wann war Ihr Problem einmal weniger stark?“ oder „Wann war es mit Ihrem Problem einmal ein bisschen besser?“. Damit wird der Blick unserer Klienten auf Ausnahmen von Problem gerichtet und Ressourcen, die schon die ganze Zeit vorhanden, aber nicht wirksam waren, kommen wieder in den Blick. Eine der Schattenseiten eines streng lösungsorientierten Vorgehens besteht darin, dass sich Menschen in ihrem Problemerleben nicht ausreichend gewürdigt fühlen. Wenn jemand ein Problem hat, dass ihn/sie mitunter schon seit Jahren verfolgt, wäre unser zu schnelles Vorgehen in Richtung Lösung ein Affront gegen das Leidempfinden unserer Klienten. Deshalb braucht es zu Beginn einer Beratung erst einmal die Würdigung des Problemerlebens und den Klienten sollte ausreichend Zeit gegeben werden, über ihre Probleme zu sprechen. Nicht zuletzt können wir mit unseren Fragen unsere Klienten auch dazu anregen, mehr darüber zu reflektieren, wie sie das Problemerleben in einer Mischung aus willkürlich/unwillkürlich ablaufenden Prozessen immer wieder neu erzeugen. Zum Beispiel durch folgende Frage: „Mal angenommen, ich wollte dieses Erleben auch haben: Was müsste ich tun/lassen, damit ich mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ähnliche Erfahrung machen würde wie Sie?“. Dazu brauche ich natürlich erst einmal eine gute und stabile Beziehung zu meinem Gegenüber, sonst könnte eine solche Frage auch als unangemessene Provokation erlebt werden. Aus systemischer Sicht, in der man ein Problemerleben auch als eine Form der Organisation von festgefahrenen Mustern verstehen kann, werden die ansonsten unwillkürlich ablaufenden Muster ein Stück bewusster: Man dis-assoziiert sich davon. Diese Dis-Assoziation (auch Metaebene genannt) lässt die die Muster häufig schon ein ganzes Stück ihrer Kraft verlieren. Das vollkommene Assoziert-sein mit einem Problemerleben ist oft ein sehr bedeutsamer problemstabilisierender Faktor. In diesem Sinne halten wir es für ein angemesseneres Vorgehen, immer beide Möglichkeiten im Blick zu behalten: Also auf der einen Seite immer wieder die Kraft der Ressourcenorientierung zu nutzen, und gleichzeitig die musterunterbrechende Kraft zu nutzen, die darin liegt, die Konstruktion eines Problemmusters bewusst zu reflektieren.

Unter www.selten-so-gedacht.de kannst Du mit uns in Kontakt treten, um uns Deine Themenwünsche, aber auch eigene Fragestellungen mitzuteilen. Wir freuen uns natürlich auch über Dein Feedback zu unseren bisherigen Folgen.

Mehr zu unserer Coachingweiterbildung unter: https://www.sys-po.de/coaching-ausbildung/systemische-coachingausbildung/

Mehr zu Nadine: https://www.sys-po.de/menschen-bei-syspo/

Mehr zu Jürgen: www.juergen-stock.de

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