Folge 011: Die Konstruktion von Wirklichkeit im systemischen Coaching

Shownotes

Die Wunderfrage

Wie stellt man die Wunderfrage? (nach Steve de Shazer, „Mehr als ein Wunder“ S.76 ff.) Bereiten Sie die Wunderfrage insofern vor, dass Sie sich beim Klienten erkundigen: „Ist es in Ordnung, wenn ich Ihnen jetzt eine ungewöhnliche Frage stelle?“ Dieser Moment ist wichtig, weil wir für die Beantwortung der Wunderfrage die Bereitschaft des Klienten benötigen, die üblichen Annahmen über Realitätsdarstellungen zu Gesprächen zeitweise zu ignorieren. Fahren Sie erst fort, wenn der Klient zustimmt oder nickt.
Danach machen Sie mit folgendem Satz weiter: „Stellen Sie sich vor, wie Sie nach unserem heutigen Gespräch hier weggehen und das tun, was Sie an einem Tag wie diesem normalerweise tun. Sie verrichten im Laufe des Tages Ihre üblichen Aufgaben. Dann gehen Sie nach Hause, essen zu Abend, schauen vielleicht fern und tun eben das, was Sie sonst an einem solchen Abend tun würden.“ Erwähnen Sie dabei Einzelheiten, die für den Klienten zutreffend sind, und fahren Sie fort bis der Klient nickt.
Sobald Sie durch das Nicken die Zustimmung erfahren haben, machen Sie auf folgende Art weiter: „Dann wird es allmählich spät, Sie sind müde und gehen zu Bett und schlafen ein.“ Warten Sie wieder auf das bestätigende Nicken. Bislang haben Sie noch keine Frage gestellt, sondern lediglich den Klienten aufgefordert, sich zu vergegenwärtigen wie ein gewöhnlicher Tag abläuft.
„In der Nacht dann… während Sie schlafen… geschieht ein Wunder.” Legen Sie an dieser Stelle eine Pause ein und warten auf eine Reaktion des Klienten: ein Lächeln, eine gehobene Augenbraue oder einen fragenden Gesichtsausdruck. Die Pause ist wichtig, darf aber nicht zu lange sein, weil sonst viele Klienten einwenden, dass sie nicht an Wunder glauben. Dem kann man so begegnen, das man antwortet: „Ich auch nicht. Aber sind Sie damit einverstanden, dass Sie eine Weile so tun, als ob Sie an Wunder glaubten?“ „Und es ist nicht irgendein Wunder. Es ist ein Wunder, das die Probleme, wegen denen Sie heute hier sind, zum Verschwinden bringt… einfach so.“ Manchen Therapeuten und Coaches schnalzen an dieser Stelle mit den Fingern. Wichtig ist es auf jeden Fall „die Probleme wegen denen Sie heute hier sind…“ zu benennen, da der Klient sonst häufig mit vagen oder unrealistischen Ziele antwortet.
„Aber da das Wunder geschieht, während Sie schlafen, werden Sie nicht wissen, dass es geschehen ist.“ An dieser Stelle können Sie leicht nicken und gedankenverloren in den Raum oder an die Wand schauen, und sich so verhalten, als würden Sie Ihren Gedanken nachhängen.
„Also am Morgen wachen Sie dann auf. In der Nacht ist ein Wunder geschehen. Die Probleme, derentwegen Sie hier sind, gibt es nicht mehr, einfach mal so. Woran merken Sie, dass die Situation anders geworden ist? Was fällt Ihnen als Allererstes auf, nachdem Sie aufgewacht sind?“ An dieser Stelle reagieren Klienten häufig mit einer besonderen Ruhe, ihre Atmung vertieft sich und wird langsamer. Ihre Augen wirken leicht verwässert und wenig fokussiert. Manchmal schließen sie einen Moment die Augen. Wichtig ist, dass Sie den Klienten in diesem Moment Zeit dafür lassen und sich selbst entspannt und geduldig zurücklehnen, um die Antwort abzuwarten.

Anschließend lassen Sie Ihr Gegenüber die Einzelheiten des Wunders aufzählen und fragen interessiert nach: „Und was ist noch anders?“ Am Ende kann man die Klientin z.B. fragen: „Und wenn Sie sich jetzt in Richtung des Wunders auf den Weg machen werden: Was könnte Ihr erster, selbst initiierbarer Schritt dahin sein?“

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